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Könnern -
Sie hätten sich auch einfach einen Wohnwagen kaufen können. Doch Sabine und Lars Schedler aus Könnern lieben das Abenteuer. Und deshalb verzichtet das Paar auf gepolsterte Sitze und neuste Technik und fährt seit ein paar Wochen lieber mit ihrem W50, einem zwischen 1965 bis 1990 in der DDR gebauten Vielzweck-Lastkraftwagen durch die Lande.
Fahrkomfort sieht anders aus, wenn der Motor direkt unter der Sitzbank brummt und die Luft im Fahrerhaus etwas nach Diesel müffelt. Doch das stört die Schedlers nicht. Ganz bewusst haben sie sich für diesen grünen Riesen entschieden.
Lastwagen mit Kofferaufsatz stand zum Verkauf
„Wir stammen ursprünglich aus Schönebeck und haben dort noch viele Freunde, die Militärfahrzeuge sammeln und damit zu Treffen fahren“, erzählt Sabine Schedler. Bisher hatten die beiden dieses Hobby immer aus der Ferne mitbeobachtet. „Irgendwann haben sich unsere Freunde einen Spaß gemacht und meinten, es wäre doch gut, wenn auch ein Mediziner bei den Treffen dabei ist, falls sich jemand den Fuß verstaucht“, erzählt Lars Schedler, der als Chefarzt in der Unfallchirurgie des Ameos Klinikums Bernburg arbeitet.
Der Rest ist Geschichte: Im vergangenen Jahr klickte sich der technikinteressierte Mediziner durch die Verkaufportale im Internet und wurde in Oebisfelde im Landkreis Börde fündig. Dort hatte ein Sammler den 125-PSer mit einem sogenannten Kofferaufsatz inseriert. Schedler zögerte nicht lange und griff zu. Auch wenn der zum Wohnwagen bereits ausgebaute Koffer nicht so ganz seinen Vorstellungen entsprach.
Ausbau zum Wohnmobil dauerte Monate
Monatelang verbrachte der 48-Jährige jede freie Minute mit dem Wohnmobilausbau. Maß immer wieder mit dem Zollstock nach, um jede noch so kleine Ecke im Innenraum sinnvoll zu nutzen. Herausgekommen ist ein helles Ein-Zimmer-Appartement mit Laminatfußboden, wenn man die Metalltreppe hinauf auf den Koffer erklommen hat.
An den schrägen Dachfenstern hängen die Rollos, in der Ecke steht ein gemütliches Bett über dem nur noch der Ventilator fehlt und in der linken Ecke künftig zur Mittagszeit die Spaghetti. Denn sogar eine Küchenzeile haben sich die Schedlers gegenüber der Sitzecke gegönnt, samt Kühlschrank und Kochstelle - unter anderem betrieben durch eine zusätzliche Batterie und eine Photovoltaik-Anlage, die auf dem Dach installiert ist.
Photovoltaik-Anlage auf dem Dach
Selbst für Hund Jack war noch Platz für einen eigenen Schrank mit Spielzeug und Futter. „Auf eine Nasszelle haben wir bewusst verzichtet“, erzählt Sabine Schedler. Schließlich haben die beiden Abenteurer, die unter anderem auch schon eine dreiwöchige Sprachreise nach Damaskus unternommen haben, nicht vor wild zu campen. Sie beschränken sich auf Campingplätze, auf denen sie auch die paar Schritte mit der Waschtasche zu den Duschcontainern laufen wollen.
„Wir waren eigentlich bisher nie die Camper“, sagt Sabine Schedler. Doch ihr erster Trip kürzlich auf den Campingplatz nach Kloschwitz (Saalekreis) hat die beiden bereits überzeugt. In den nächsten Wochen soll es sogar noch ein Stück weiter gehen in Richtung Süden mitsamt dem auffälligen Militärwohnmobil. Wo das Fahrzeug mit Baujahr 1982 seinen Dienst zu DDR-Zeiten getan hat, ist allerdings nicht überliefert.
Bekannt ist nur, dass der sogenannten W50 mit Kofferaufsatz mit hoher Wahrscheinlichkeit als Werkzeuglaster genutzt wurde. Es war nur eine von mehreren Einsatzzwecken, für die die Koffer unter anderem auch in Aschersleben gefertigt wurden.
Bis 1990 wurden mehr als 500.000 W50 gebaut
Denn allein für die Armee wurden in den 1970er Jahren etliche Koffer und LAK (leicht absetzbare Koffer) in der Einestadt produziert. Diese dienten als Werkzeug- und Funkwagen. Insgesamt gab es für diesen DDR-Laster aber mehr als 50 Variationen. Bis 1990 rollten mehr als 500.000 Stück vom Band und davon wurde die große Mehrheit exportiert.
Einen Ausflug mit ihrem armeegrünen Wohnmobil ins Ausland haben die Schedlers auch in den kommenden Jahren ins Auge gefasst. Möglicherweise an die polnische Ostsee. Doch ob der W50 auf dieser Reise dann immer noch grün sein wird, ist fraglich. „Es kann schon sein, dass wir Probleme bekommen könnten, da es wegen der Farbe wie ein Armeefahrzeug aussieht“, sagt Schedler, der im Übrigen schon seit seinem 17. Lebensjahr einen Führerschein für Laster in der Tasche hat.
Dabei wird es künftig nur mit einer gemütlichen Reisegeschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde voran gehen. „Ein bisschen verrückt muss man schon sein, um das zu machen“, freuen sich Schedler und seine Frau auf die ihnen bevorstehenden Abenteuer. (mz)
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