Fabrikneue W 50 für Vietnam
Kurioser Fuhrpark mit mehreren hundert Lkw in Heiligengrabe ist verkauft / Restbestand aus IFA-Werk Ludwigsfelde
27.11.2002
Lokales - Seite 24
Susanne Rost
HEILIGENGRABE. Bis zum Jahresende verliert das im Norden Brandenburgs gelegene Dorf Heiligengrabe seine kurioseste Sehenswürdigkeit: die knapp 500 Lastwagen aus DDR-Produktion, die seit sieben Jahren fein säuberlich nach Farben sortiert auf einer Wiese am Ortseingang stehen. Sie gehören Klaus Thiele, der vor mehr als zehn Jahren den Nachlass des IFA-Werkes in Ludwigsfelde erworben hatte. Jetzt hat der Unternehmer fast den kompletten Fuhrpark nach Vietnam verkauft. Das unfreiwillige Freilichtmuseum - Thiele hatte zunächst mit einer raschen Verwertung der legendären DDR-Laster gerechnet - wird aufgelöst. Zwar sind die ersten der fabrikneuen W 50 und L 60, die lange Jahre ihrer Nutzung harrten, schon unterwegs nach Fernost. Doch in Anbetracht des riesigen Fuhrparks fallen diese Abgänge bislang kaum auf, sagt Reinhard Preuß, der Bürgermeister des Ortes im Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Über den Abschied der "moralisch verschlissenen" - da aus DDR-Zeiten stammenden - Fahrzeuge ist er nicht traurig. Wenngleich sie immer wieder Ortsfremde in das Dorf in der Ostprignitz lockten, die die DDR-Lkw-Legenden bei ihrer Fahrt auf der nahen Autobahn Berlin-Hamburg entdeckt hatten. "Es riefen immer wieder Leute an, die sich nach den Lastwagen erkundigten", berichtet auch Amtsdirektor Edmont Hamelow. Die Verwaltung sah dagegen eher kritisch auf den Autofriedhof - nach zehn Jahren Stillstand kann schließlich auch ein fabrikneuer Lkw zur Umweltgefahr werden, wenn er bespielsweise Öl verliert. Aber Thieles Mitarbeiter hielten die Laster in Schuss. "Bis zum Jahresende sind alle in Vietnam", sagt der Firmenchef, dessen Zentrale im alten IFA-Werk in Ludwigsfelde (Teltow-Fläming) ist.
In der DDR-Lkw-Schmiede rollten am 31. Dezember 1991 die letzten W 50 vom Band. Gut 570 000 Exemplare wurden dort von 1965 an hergestellt, ein Großteil wurde ins Ausland exportiert. Die unverwüstlichen Fahrzeuge gab es für alle Lebenslagen, in 40 Varianten: unter anderem als Pritschen-, Kasten- oder Kipperwagen, als Kran-, Tank- oder Feuerwehrfahrzeug.
Auch die Freiwillige Feuerwehr Heiligengrabe rückt mit einem W 50 zu ihren Einsätzen aus. Unternehmer Thiele schenkte es den Mannen, als er 1995 mit seinem Fuhrpark nach Heiligengrabe kam.
Etwa 1 500 Fahrzeuge - neben dem W 50 auch dessen Nachfolger L 60 - sowie den gesamten Ersatzteilbestand hatte der Unternehmer 1991 erworben. Etwa 1 000 Wagen hat er in den letzten Jahren nach und nach verkauft, zu Preisen zwischen 19 000 und 39 000 Euro und vor allem nach Osteuropa.
Foto: JOACHIM KUPHAL Standen sieben Jahre lang in Reihe und Glied am Ortseingang von Heiligengrabe: Mehrere hundert fabrikneue W 50, der Restbestand des IFA-Werkes.
Quelle Berliner Zeitung